(Vokalconsort / Chiara Sannicandro, Violine / Marco Amherd, Leitung / Trauerrede: Morris Weckherin)

Das Konzert wird verdankenswert unterstützt von:

Stadt Zürich
Kanton Zürich
Martha von Castelberg-Stiftung

Requiem auf das Patriarchat:

“Herr gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen. Lass sie ruhen in Frieden. Amen.”

Das Patriarchat wird mit dem Requiem, einer standesgemässen Begräbnisfeier,  gebührend verabschiedet.
Eine Grabrede würdigt seine zweifelhaften Errungenschaften und Privilegien und verweist nochmals
auf die glänzenden Höhepunkte. Trauermusik und Totenlieder setzen dafür den angemessenen Rahmen.
Schwarze Kleidung erwünscht!

Eine gelungene Produktion aus dem DAVOS FESTIVAL 2021, welche auch Zürich interessieren dürfte!

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Der künstlerische Leiter Marco Amherd schreibt im Abendprogramm:

Das Patriarchat hat die Gesellschaft über viele Jahrhunderte geprägt. Die Rollen waren klar verteilt und Stereotypen feierten Hochkultur. Das Männliche war stark und das Weibliche schwach. Seit vielen Jahren versuchen Menschen aus diesen Denkmustern auszubrechen und eine emanzipierte Gesellschaft zu stärken. Suffragetten, Frauenstimmrecht, „Ehe für Alle“, Streiks und Vaterschaftsurlaub sind nur einige Etappen auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft.
«Rechte werden nicht gewährt, man muss sie erkämpfen», sagt ein persisches Sprichwort. Das gilt erst recht für den langen Kampf der iranischen Frauen für Gleichberechtigung. Irans Frauen haben in den vergangenen hundert Jahren viel erreicht – und zum Teil auch wieder verloren. Sie sind der Schlüssel für den Wandel. Die Protestierenden nun darin zu bestärken, in sie Vertrauen zu setzen, das ist unsere Aufgabe. Und nicht nur im Iran. Auch in Afghanistan sind sie die grössten Opfer der erneuten Talibanisierung, weil sie aus der Gesellschaft herausgekegelt werden – zugunsten einer männlich diktierten Welt, die wieder die gesamte Hoheit über Staat, Gesellschaft und Familie zurückerhalten hat. Die Religion ist dabei ein wohlfeiles und zugleich fälschliches Argument, letztlich geht es immer um Macht. Die Weltreligionen sind in bekanntermassen unhinterfragt patriarchalen Verhältnissen entstanden.
Kim de l’Horizon schreibt in einem Essay, der in der morgigen Ausgabe (22.10.22) der NZZ erscheint: «Ich lebe, und leben heisst für mich, zu lernen». Kim berichtet darin, wie patriarchale Strukturen die Gesellschaft gefangen nehmen. Menschen sind viel mehr als ihr Geschlecht. Diese Reduzierung grenzt stark ein und verunmöglicht den Ausbruch aus dem Kreislauf der Unterdrückung. «Wir sind genug», Wertvoll genug. Umso mehr schmerzt es, wenn sich beispielsweise Ueli Maurer als Nachfolger*in im Bundesrat kein «Es» vorstellen kann. (Und das als Mitglied der Es-VP). Es geht in der Debatte nicht primär um den Kampf zwischen Männern und Frauen, sondern um die «Angst vor der unbekannten Freiheit», und die eigene Unsicherheit. Diese Ängste gilt es zuzulassen und daraus zu lernen.

Frauen stehen heute in Europa nicht mehr zwingend am Herd und auch Männer kümmern sich um Kinder und Haushalt. In den letzten Jahren hat sich bei den Rollenbildern viel verändert und in unserer Gesellschaft wurde ein dezenter Paradigmenwechsel angestossen. Doch auch hier erfahren Frauen, Minderheiten, Randgruppen oder ganze Nationen immer noch subtile Formen von Diskriminierung. Welchen Einfluss hat dies auf die daraus entstehende Musik?
Komponistinnen wurden über viele Jahrhunderte kaum gehört. Oftmals hatten Frauen nicht einmal die Möglichkeit, ein Kompositionsstudium zu absolvieren. In späteren Zeiten wurden Werke von Komponistinnen schlicht und einfach in die Schublade gesteckt oder im Mülleimer entsorgt. Es schlummert also immer noch viel «unerhörte» Musik.
Es nun Zeit, das Patriarchat endlich zu begraben. Zumindest symbolisch und als hoffentlich nicht allzu ferne Utopie. Das heutige Konzert orientiert sich an der katholischen Begräbniszeremonie und gipfelt in eine Grabesrede, die aus der Feder des Zürcher Schauspielers Morris Weckherlin stammt. Das Schweizer Vokalconsort begleitet das Schauspiel mit gregorianischen Chorälen und Begräbnisgesängen von Alonso Lobo, Martha von Castelberg, Anton Bruckner, Heinrich von Herzogenberg und Imogen Holst und die Violinistin Chiara Sannicandro ergänzt mit Werken von  Heinrich Ignaz Biber und Eugène Ysaÿe.

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PROGRAMM:

Schweizer Vokalconsort
Trauerrede: Morris Weckherlin
Violine: Chiara Sannicandro
Preisträgerin des Rahn Musikpreises 2022

Leitung: Marco Amherd

Werke:
Gregorianischer Choral – Requiem Aeternam
Heinrich Ignaz Biber (1644-1704)
Trauerrede
Imogen Holst (1907-1984)
Anton Bruckner (1892-1896)
Martha von Castelberg (1892-1971)
Heinrich von Herzogenberg (1843-1900)
Alonso Lobo (1555-1617)
Eugène Ysaÿe (1858-1931)

Die Singenden:
Sopran: Aude Freyburger, Larissa Bretscher, Kathi Stahel, Jenny Högström
Alt: Laura Binggeli, Isabel Pfefferkorn, Lisa Lüthi
Tenor: Rodrigo Carreto, Joël Morand, Jonathan Spicher
Bass: Jan Kuhar, Serafin Heusser. Joao Martins

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Ein Hörvergnügen “O bone Jesu” von Martha von Castelberg